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Mittelgrund bei Johnsbach


Blick über den Johnsbacher Mittelgrund

Ein wahres Kaleidoskop strukturreicher Landschaft bietet sich dem Wanderer zwischen Johnsbach und Schilfbachtal. Alle paar Schritte ändert sich die Perspektive in dem kleinflächigen Mosaik von Steinrücken, Nasswiesen und Magertriften. Ein Fest für alle Sinne ist ein Ausflug im Frühjahr, wenn sich die Gehölze mit frischem Grün in allen Schattierungen und weißem Blütenschnee präsentieren, wenn aromatische Düfte und Vogelgesang die Atmosphäre erfüllen!

Hier, wo auf dem Erzgebirgsgneis Granitporphyr aufsitzt, mussten die Bauern früher besonders hohe Lesesteinwälle aufschichten. Noch heute zeichnen die Steinrücken die historische Flurstruktur des typischen Waldhufendorfes Johnsbach nach. Die meisten Steinrücken gehören hier zum Edellaubholztyp, werden also von einer breiten Palette einheimischer Gehölze besiedelt. Dabei zeigt sich hier allerdings besonders deutlich, wie infolge jahrzehntelang ausbleibender Holznutzung vor allem Berg-Ahorn zur Dominanz gelangt und mit seinem dichten Blätterdach die lichtbedürftigen Mitglieder der Steinrückengemeinschaft verdrängt. Dies betrifft, neben den für Vögel sehr wichtigen Dornsträuchern (Heckenrosen, Weißdorne, Schlehe), vor allem die auch um Johnsbach vorkommenden Wildäpfel sowie die letzten Exemplare Wacholder. Vor langer Zeit einmal muss diese geschützte Gehölzart gar nicht so selten gewesen sein. Um so wichtiger ist die Erhaltung der drei Sträucher (einer auf dem Fuchsberg, einer im Quellgebiet des Mittelgrundes, einer westlich von Johnsbach).

Im Grenzbereich von Gneis und Granitporphyr treten zahlreiche kleine und größere Sickerquellen zutage. In feuchten bis dauerhaft nassen Quellmulden sammelt sich das Wasser und fließt über mehrere Quellarme dem Mittelgrundbach zu. "Mittelgrund" ist der althergebrachte Name des Tales, das zwischen Fuchsberg und Püschelberg in die linke Flanke des Müglitztales eingegraben hat und dessen Bach südöstlich an der Wismuthalde vorbeifließt (Auf den Topografischen Karten steht "Bärenhecker Bach", aber diese Bezeichnung gehört zu dem Gewässer, das parallel zur Straße Johnsbach - Bärenhecke fließt).


Feuchtwiese im Johnsbacher Mittelgrund

In den Feuchtbereichen kann man nicht selten eine typische "Zonierung" feststellen, die sich durch die großflächige Beweidung mit Rindern ergibt. Die relativ oft betretenen und noch nicht allzu nassen Randbereiche werden von feuchtetoleranten Stickstoff- und Trittzeigern eingenommen, etwa Weiß-Klee, Kriechender Hahnenfuß und Stumpfblättriger Ampfer. An stärker vernässten Stellen wachsen Flutender Schwaden oder Bachbunge. Die sich nach innen anschließende Zone wird vom Vieh zwar auf der Futtersuche durchstreift und zertreten, aber die hier wachsenden Arten sagen den Rindern nicht besonders zu. Folge ist ein dichter Teppich aus Flatterbinsen oder Spitzblütigen Binsen. Den Kern der Quellmulde nehmen dann, je nach Wasser- und Nährstoffverhältnissen, entweder Hochstaudenfluren (vor allem Mädesüß, Wald-Engelwurz, Waldsimse, Rauhaariger Kälberkropf, Gewöhnlicher Gilbweiderich) oder Reste ehemaliger Kleinseggenrasen ein. An zwei, drei Stellen gibt es auch noch Schmalblättriges Wollgras.

Eine kurze Geschichte zum Biotopschutz

1999 bis 2001 arbeitete die Grüne Liga Osterzgebirge am Teil III ihrer "Biotopverbundplanung Oberes Müglitztal". Gegenstand der flächendeckenden Kartierung und der darauf aufbauenden Planungen waren diesmal die Fluren von Johnsbach und Falkenhain. In den Quellgebieten des Mittelgrundbaches gestalteten sich die Biotoperfassungen und Vegetationsaufnahmen besonders aufwendig, brachten aber ständig neue Überraschungen. Auf der wertvollsten Feuchtwiese, unter der Stromleitung nordöstlich von Schenkenshöhe, fanden sich über 50 Pflanzenarten, darunter Wollgras, Kleiner Baldrian und Sumpf-Veilchen. Eine Kreuzotter huschte davon, und auf einem alten Weidepfahl mühte sich ein Braunkehlchen mit seinem wenig wohlklingenden Balzgesang.

Ein paar Tage später informierten die Biotopverbundplaner der Grünen Liga sowohl die Agrargenossenschaft als auch die Naturschutzbehörde über die wertvollsten Flächen des Gebietes und über die ersten Vorstellungen, was aus Naturschutzsicht hier am besten zu tun wäre. Dann, wieder ein paar Tage später, der große Schock: Mehr als ein Drittel der großen Mittelgrund-Nasswiese waren mit Bauschutt zugekippt, der Rest von tiefen Traktorspuren zerfurcht! In Falkenhain hatte die Agrargenossenschaft einen alten Stall abgerissen, wie sich später herausstellte, und das Bruchmaterial zum Zukippen des landwirtschaftlich nutzlosen Nassloches genutzt. Ein Mitstreiter der Grünen Liga Osterzgebirge erstattete Anzeige bei der Naturschutzbehörde des Landratsamtes Weißeritzkreis.

Was folgte, war geeignet, frustriert das Handtuch zu werfen und dem Naturschutz den Rücken zu kehren. Die Bauabteilung des Landratsamtes hatte sich des Verfahrens angenommen - und der Agrargenossenschaft empfohlen, den illegalen Eingriff in die Natur nachträglich als Wegebaumaßnahme genehmigen zu lassen!

Und so kam es dann auch. Alle Bemühungen, dass wenigstens die über die Breite eines normalen Feldweges hinausgehende Wiesenverschüttung wieder abgetragen werden soll, blieben vergebens. Da halfen auch mehrere Schreiben an den Landrat nichts, und schon gar nicht die nach einem Jahr schließlich beim Regierungspräsidium Dresden eingereichte Dienstaufsichtsbeschwerde (wegen der Duldung eines besonders gravierenden Verstoßes gegen das Naturschutzgesetz). Es schien fast so, als sei die - natürlich abschlägige - Antwort der übergeordneten Behörde von den Bearbeitern im Landratsamt verfasst worden, so ähnlich war der Wortlaut zu den vorausgegangenen Briefen.

Nun, der fünfzehn (!) Meter breite Feldweg besteht noch immer. Die Vegetation des verbliebenen Feuchtwiesenrests hat die Traktorfurchen allmählich ausgeheilt, sogar ein paar Stängel Wollgras haben überlebt. Der größere Teil einer der einstmals artenreichsten Johnsbacher Feuchtwiesen indes ist für immer futsch.


Nasswiese im Mittelgrund vor der Zerstörung

nachträglich behördlich genehmigter "Feldweg"

Nicht nur das nasse Grünland ist aus Naturschutzsicht interessant, sondern auch die mageren, mehr oder weniger steilen Böschungen, die von den Rindern zwar abgefressen werden, wo sich die Tiere aber nicht länger als nötig aufhalten. Mit Kleinem Habichtskraut, Rauem Löwenzahn, Perücken-Flockenblume, Heidenelke und Kriechendem Hauhechel können die südexponierten Hänge recht farbenfrohe Blühaspekte hervorbringen. Steinrücken, kleine Feldgehölzgruppen und Einzelsträucher bewirken einen hohen Strukturreichtum. Die dichten und sehr hochgewachsenen Steinrückenbäume führen allerdings auch zu erheblicher Beschattung der angrenzenden Flächen.

Der schönste dieser Magerhänge zieht sich vom Mittelgrundbach zum Püschelsberg hinauf. Ein privater Landwirt pflegt mit großem Aufwand diese Wiese, teilweise sogar in Handmahd. Die Artenfülle ist entsprechend hoch. Besonders unter dem Trauf des oberhalb wachsenden Eichen-Buchen-Mischwaldes gedeihen Zittergras, Dreizahn, Kreuzblümchen, Jasione, Thymian und viele weitere Magerkeitszeiger.

Den Wiesenschlauch, der sich talabwärts zwischen Fichtenforsten entlang des Baches zieht, haben offenkundig auch zu DDR-Zeiten die LPG-Rinder nur ziemlich selten aufgesucht. Hier gibt es, im feucht-kühlen Mikroklima, noch Reste richtiger Bergwiesen, zu einem kleinen Teil sogar noch mit dem Charakter von Borstgrasrasen. Von der früheren Artengarnitur ist dennoch viel verloren gegangen. Noch 1964 werden in den "Werten der Deutschen Heimat" Arnika ("...fehlt nirgends ..."), Schwarzwurzel, Trollblume, Geflecktes, Breitblättriges und Stattliches Knabenkraut, ja sogar Große Händelwurz erwähnt.

Die Wiesen des Mittelgrundbaches gab es wahrscheinlich schon ziemlich frühzeitig - lange bevor im 19. Jahrhundert die "Bergwiesenepoche" des Ost-Erzgebirges begann. Trotz aller Mühe stieß die Ackernutzung auf den Nassflächen und an den flachgründigen Hängen an ihre Grenzen. Genauso erfolglos waren - zum Glück - die Meliorationsbrigaden der DDR-Landwirtschaft. Die historische Landschaftsstruktur ist um Johnsbach so intakt wie sonst nur selten. Doch die Übernutzung in den 1970er und 1980er Jahren sowie die heutige Unternutzung des eutrophierten Grünlandes haben die damals besonderen Pflanzen verschwinden und die damals alltäglichen Pflanzen zu etwas Besonderen werden lassen. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass das "Besondere" der Natur des Müglitztales zu erhalten gelingt. Wenn Bewohner, Landbesitzer und Landbewirtschafter genügend Interesse für die Natur aufbringen, werden auch in Zukunft Wanderer die Landschaft entlang der Kleinen Straße zwischen Johnsbach und Schilfbachtal als faszinierendes Kaleidoskop der Farben, Gerüche und Geräusche wahrnehmen können.


Blick über den Mittelgrund nach Bärenstein