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Talwiesen zwischen Lauenstein und Bärenstein




Müglitztal oberhalb Bärenstein in den 1930er und 1990er Jahren.

Bevor Mitte des 19. Jahrhunderts die Müglitztalstraße gebaut wurde und sich damit ein nutzbarer Weg zu den städtischen Absatzmärkten für Gebirgsheu eröffnete, waren Dauerwiesen im Müglitztalgebiet - wie überall im Ost-Erzgebirge - eher selten und nur auf solche Standorte beschränkt, die sich nicht für Ackerbau eigneten. Diese Bedingungen boten vor allem in den sumpfigen Talauen, zum Beispiel in der Müglitztalweitung oberhalb Bärensteins. Wo heute Straße und Eisenbahn verlaufen, Firmengebäude stehen, Kleingartenanlagen angelegt und in den 1980er Jahren die Schule gebaut (und in den 1990er Jahren wieder geschlossen) wurde, da verzeichnet das Meilenblatt von 1835 noch "Die nasse Wiese". Wenig ist davon übrig geblieben. Zwischen Sportplatz Bärenstein und "Kalkberg" (der linke Müglitzhang vor Bärenstein) beherbergt ein Nasswiesenstreifen noch einen Rest des einstigen Artenreichtums, unter anderem mit einem Bestand der Breitblättrigen Kuckucksblume. Nachdem die Fläche lange Zeit brach lag oder nur gelegentlich, sehr spät im Jahr von ABM-Kräften gemäht wurde, hatten sich in den 1990er Jahren darauf eine von Mädesüß dominierte Hochstaudenflur sowie, im hinteren Teil, ein dichter Teppich von Zittergras-Segge ausgebreitet. Nach zehn Jahren Pflege durch die Grüne Liga Osterzgebirge nun hat sich daraus wieder ein Mosaik von Kleinseggenrasen und Feuchtwiese entwickelt. Außer den rund einhundert Orchideenblüten kann man hier viele weitere Pflanzen entdecken, die einstmals typisch für die Gegend waren, heute aber teilweise recht selten geworden sind: Fieberklee vor allem, außerdem Sumpf-Veilchen, Kleiner Baldrian, Bach-Nelkenwurz und viele andere. Eine große Zahl von weißen Fruchtköpfen des Schmalblättrigen Wollgrases leuchten im Mai/Juni. Die extrem aufwendige Mahd und Beräumung der "Sportplatzwiese" ist jedes Jahr der Höhepunkt zum Ende des Heulagers der Grünen Liga. Dabei kann bei den vielen Seggen und Binsen von "Heu" keine Rede sein, und das nicht erst heutzutage. Auch früher galten solche Nassflächen vor allem als "Streuwiesen", deren strohiger Aufwuchs als Stalleinstreu genutzt wurde (nicht zu verwechseln mit "Streuobstwiese").


mühevolle Beräumung des Nasswiesen-Mähgutes von der Bärensteiner Sportplatzwiese

Breitblättriges Wollgras

Mit dem Schmalblättrigen Wollgras verwandt, im Erzgebirge aber sehr selten, ist das basenliebende Breitblättrige Wollgras, das in einer Quellmulde am rechten Müglitzhang hinter dem Klärwerk Lauenstein eines seiner wenigen Vorkommen hat. Der Gneis im Müglitztalgebiet ist von sehr heterogener Zusammensetzung. Neben Gebieten, wo das Gestein eher mageren und sauren Boden hervorbringt, gibt es offenbar auch Bereiche mit größeren Anteilen von Kalzium, Magnesium und sicher noch weiteren Pflanzennährstoffen. Wenn Sickerwasser längere Zeit in Klüften derartiger basenreicher Gneispartien verweilt, lösen sich diese Mineralien darin auf und werden in Quellmulden an die Oberfläche gebracht - so wie hier auf den Wiesen am Klärwerk Lauenstein. Außer dem Breitblättrigen Wollgras weisen das Große Zweiblatt und die ebenfalls kalkbedürftige Wiesen-Primel darauf hin. Diese kleinere, eher gelb-orange und etwas später blühende Verwandte der Hohen Schlüsselblume ("Himmelschlüssel") ist aber nicht nur basenliebend, sondern auch konkurrenzschwach und trittempfindlich. In den 1990er Jahren hat die Grüne Liga die Fläche gemäht, jetzt nutzt ein Landwirt sie als Weide für eine Herde Heckrinder. Den Wiesen-Primeln und dem Breitblättrigen Wollgras sowie dem kleinen Orchideenbestand bekommt die ausbleibende Mahd ganz und gar nicht.


Heckrinder (Rückzüchtungen des Auerochsen) weiden an den Müglitzhängen.

Heckrinder sind das Ergebnis längerer Versuche in den 1920er Jahren, aus verschiedenen Halbwild-Rinderrassen den Auerochsen ("Ur") zurück zu züchten. Diese mächtige Urform der Hausrinder - bis 1,80 m Schulterhöhe! - streifte einstmals durch Europa und halb Asien, bis Anfang des 17. Jahrhunderts die letzten ihrer Art in Osteuropa erlegt wurden. Heckrinder sind zwar kleiner, ähneln ansonsten jedoch äußerlich den historischen Uren und beeindrucken durch ihre massige Gestalt, ihr zotteliges Fell und die großen Hörner. Die "Auerochsen" des Müglitztales stellen zweifellos eine Bereicherung der Landschaft dar. Als genügsame Grasfresser tun sie auch gute Dienste bei der Biotoppflege, nur eben nicht auf allen Biotopen.


Hochwasser-Schwemmsand auf der unteren Klärwerkwiese, August 2002

Eine weitere, sehr bemerkenswerte Wiese befindet sich unterhalb des Klärwerkes, zwischen Müglitz, Eisenbahn und einem Mühlgraben. Bei jedem Hochwasser werden hier große Mengen Schotter bzw. Schwemmsand abgelagert. Auf diesen, sehr mageren Substraten können daraufhin konkurrenzschwache Wiesenpflanzen gedeihen. Die größte Besonderheit dabei stellt dabei die Grasnelke dar, eine kleine, unauffällige Art, wenn sie nicht ihre blauen Blütenköpfchen zeigt. Normalerweise kommt die Gewöhnliche Grasnelke in den trockenen Sandheiden der Lausitz, vor allem auf Tagebaukippen vor. Die Grasnelken des Müglitztales sehen jedoch ein wenig anders aus, sind weitgehend isoliert von ihren Artgenossen und werden deshalb von einigen Botanikern als eigene Sippe aufgefasst. Es wäre interessant zu beobachten, ob und wie schnell Armeria maritima die 2002 überschütteten Teile der unteren Klärwerkwiese wiederbesiedeln kann. Nach dem Hochwasser waren allerdings zunächst wiederholt Bagger zugange, um möglichst viel des Schwemmsandes wieder wegzuräumen.


Grasnelke

Einen noch schöneren Bestand bildet die Grasnelke auf einem schmalen Wiesenstreifen unterhalb der Gaststätte Huthaus, zwischen Straße und Eisenbahn aus. Dank der regelmäßigen Pflegemahd durch die Grüne Liga Osterzgebirge kommen jedes Jahr mehrere hundert Grasnelken zur Blüte und sind auch von der Müglitztalstraße aus gut zu erkennen. Der größte Teil der Pflanzen blüht erst meist nach im August, nach der ersten Mahd. Vorher, im Mai/Juni, entfaltet sich auf der kleinen Wiese eine bunte Fülle von Blütenpflanzen, in der bei 450 m Höhenlage neben typischen Bergwiesenelementen (Perücken-Flockenblume, Alantdistel, Gebirgs-Hellerkraut, Wiesen-Knöterich) auch schon mehrere Arten vertreten sind, die sonst erst in den submontanen Glatthaferwiesen zur Vorherrschaft gelangen. Dazu gehören neben dem Glatthafer selbst vor allem Wiesen-Pippau und Körnchen-Steinbrech. Bis Ende der 1990er Jahre mähten die Besitzer der Wiese den südlichen Teil, während der nördliche Teil lange brach lag. Seither pflegt die Grüne Liga die gesamte Fläche, dennoch sind die Unterschiede auch nach fast einem Jahrzehnt noch zu erkennen. Bei nur einschüriger, relativ später Mahd können sich Brachezeiger wie Aromatischer Kälberkropf, Rainfarn und Schafgarbe noch lange in beträchtlichen Flächenanteilen behaupten. In diese Kategorie gehört im Gebirge auch der Glatthafer - im Flachland eigentlich eine typische Art gemähter Wiesen.


Jährliche Mahd ist zur Erhaltung der Wiesenvielfalt im Müglitztal unerlässlich