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Wolfsgrund/Vlčí důl


Laubwaldhang des Naturschutzgebietes Vlcí dul

Oberhalb der Riesenburg verzweigt sich das Tal in drei kleinere felsige Schluchten, die steil aufwärts steigen in Richtung Dlouhá Louka/Langewiese. Hier ist der Erzgebirgs-Südabhang besonders stark gegliedert. Holznutzung ist in solchem Terrain mit großem Aufwand verbunden, und so war es möglich, dass sich hier über zweihundert Jahre ein naturnaher Buchenwald fast ungestört entwicklen konnte. Inzwischen zeigt dieser bemerkenswerte Wald bereits einige Merkmale eines Urwaldes. Vor allem gibt es reichlich Totholz und viele alte höhlenreiche Bäume. Dieser Wald gehört tatsächlich zu den eindrucksvollsten des Ost-Erzgebirges. Um ihn zu bewahren, wurden 1989 knapp 33 Hektar unter der Bezeichnung Vlcí dul/Wolfsgrund zum Naturschutzgebiet erklärt.

Es dominiert - erwartungsgemäß - die Rot-Buche. Aber auch viele weitere Baumarten sind vertreten: Berg-Ahorn, Eberesche, Esche, am Bach Schwarzerle. Die einstmals vorhandenen Weiß-Tannen sind schon vor langer Zeit den Luftschadstoffen zum Opfer gefallen, während die letzten verbliebenen Fichten sich allmählich etwas zu erholen scheinen. Bemerkenswert ist das Vorkommen der Hainbuche in über 600 Metern Höhenlage - auf der Nordseite des Erzgebirges steigt diese wärmeliebende Art nur selten über die 400-Meter-Grenze.

Neben den gewöhnlichen Buchenwaldarten (u.a. Purpur-Hasenlattich, Quirlblättrige Weißwurz) findet man in der Bodenflora Türkenbund-Lilie, Berg-Ehrenpreis, Haselwurz und Mondviole. In Bachnähe trifft man im zeitigen Frühjahr eine ungewöhnliche Pflanze - den Schuppenwurz. Man muss schon etwas genauer danach suchen, denn der Art fehlt jegliches Blattgrün. Die rosa Blüten fallen im Teppich des letztjährigen Herbstlaubes ebenfalls kaum auf. Sie schauen zehn bis zwanzig Zentimeter aus dem Boden, doch ihr Wurzelstock ("Rhizom") kann bis zu zweieinhalb Meter tief reichen. Der chlorophyllfreie Schuppenwurz zählt zu den Schmarotzerpflanzen und bezieht seine Nahrung aus den Wurzeln von Erlen, Aspen und Hasel.


Buchenwald mit dicken Bäumen im Wolfsgrund.

Die Wälder oberhalb der Riesenburg sind wichtige Brutreviere verschiedener Vogelarten. Insbesondere Höhlenbrüter finden in den alten Bäumen viele Nistmöglichkeiten, Insektenfresser darüberhinaus einen reich gedeckten Tisch aufgrund des Totholzreichtums. Zu den typischen Waldvögeln zählen hier unter anderem Schwarz-, Bunt- und Grünspecht, Waldkauz, Hohltaube, Habicht sowie Trauer- und Grauschnäpper. Baumhöhlen nutzt auch ein kleines Nagetier - die Haselmaus. Der aufmerksame Wanderer kann Hirsch, Reh, Rotfuchs und Eichhörnchen begegnen, seltener lassen sich Wildschwein, Dachs oder Baummarder blicken. Insgesamt sind hier 35 Wirbeltierarten zu Hause.

Interessant ist auch der Bach, der das Tal durcheilt, der Osecký potok/Eulenbach. Er wurde niemals wesentlich reguliert und konnte bis heute den Charakter eines wilden Bergbaches behalten, mit zahlreichen Kaskaden, aber auch kleinen Kolken und Tümpeln.


geologisches Naturdenkmal Vrása

Entlang des rot markierten Waldweges oberhalb der Riesenburg kann man an den angeschnittenen Gneisfelsen deren Schieferung (geologisch exakter: "Textur") studieren. Noch eindrucksvoller ist jedoch das Naturdenkmal Vrása ("Falte") etwas oberhalb. Wo der rot markierte Weg auf den blauen Talweg mündet, zweigt rechts ein kleiner, nicht gekennzeichneter Waldpfad ab und führt zu diesem Gneisfelsen. Für Geologen ist es einer der bedeutendsten Geotope des tschechischen Ost-Erzgebirges. Aber auch der Laie kann sich hier mit etwas Phantasie eine Vorstellung davon verschaffen, wie heiß es einst hergegangen sein muss in den Tiefen der Erdkruste, welche Drücke gewirkt haben müssen, um ein Gestein in solche Falten zu legen!

Das Felsengebilde "Vrása" ist ca. 25 Meter breit und 8 Meter hoch und besteht aus feinkörnigem Biotitgneis. Dieser gilt als Paragestein, geht also auf Sedimente zurück. Vermutlich bereits im Präkambrium - vor mehr als einer halben Milliarde Jahren - hatten sich in dieser Gegend Meeresablagerungen angesammelt und waren zu einem Sedimentgestein namens Grauwacke verfestigt worden. Wahrscheinlich schon während der nachfolgenden Epoche der Cadomischen Gebirgsbildung (noch im Präkambrium, vor 575 bis vor 535 Millionen Jahren) gerieten diese Grauwackepakete unter Druck und wurden zu einem Paragneis umgewandelt - "metamorphisiert". So lagen sie dann zweihundert Millionen Jahre lang tief unter der Erdoberfläche verborgen. Dann begann im Karbon die Variszische Gebirgsbildung. Die Urkontinente Laurasia und Gondwana drängten zueinander und pressten die dazwischenliegenden Gesteine zusammen. Üblicherweise wird zur Verdeutlichung dieses Prozesses das Bild eines Teppichs bemüht, der von zwei Seiten zusammengeschoben wird. Das Ergebnis: der Teppich legt sich in Falten. Und genau dies ist hier auch passiert! Dazu bedurfte es allerdings nicht nur großen Druckes, sondern auch hoher Temperaturen, die dem Gestein eine zähflüssige Konsistenz verschafften. Der Vrasa-Felsen und seine gesamte Umgebung muss sich also in mehreren tausend Metern Tiefe befunden haben. Erst durch die Abtragung der damals darüber aufragenden Gipfel des Variszidischen Gebirges und schließlich durch das Aufsteigen des heutigen Erzgebirges im Tertiär kam das Gesteinspaket an die Oberfläche.

So ähnlich wie der Vrása-Felsen im Kleinen geschah es auch mit dem variszischen "Ur-Erzgebirge" im Großen. Die Falten haben die Form einer Sinuskurve - hochgewölbt ist die Antiklinale, sattelförmig die Synklinale. Genau dies ist auch der Grundaufbau eines Faltengebirges: die Antiklinalen sind die Bergkämme (im Geologendeutsch: "Sättel"), die Synklinalen die breiten Senken dazwischen. So wie man dieses Muster heute in den Alpen findet, traf dies auch für das Variszische Gebirge zu. Über dem Vrása-Gestein erhob sich die "Erzgebirgs-Antiklinale" und erstreckte sich bis weit nach Nordböhmen hinein, bis jenseits des erst viel, viel später entstandenen Böhmischen Mittelgebirges.

Seit dem Jahre 1986 steht das wertvolle Zeugnis der Erdgeschichte als Naturdenkmal unter Schutz.

Der Felsen befindet sich auf einem Hangrücken, und es gibt hier sogar eine Art "Gipfelbuch". In der Umgebung wächst ein etwas ausgehagerter, bodensaurer Buchenwald mit absterbenden Fichten. Einige Schritte östlich des Geotops bietet sich eine schöne Aussicht auf den Stropník/Strobnitz. Im Oktober leuchtet der bewaldete Hang in herrlichen herbstbunten Farben.